„Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.“, so steht es im achten Gebot. Die Lüge gilt also schon seit über 2000 Jahren als theologisch und damit auch moralisch fragwürdige Praxis. Trotzdem lügen wir alle an jedem Tag ein kleines bisschen hier und ein kleines bisschen da. Warum also das ganze Geschrei um die Lüge. Augustinus sah darin einen Verrat an Gott und verurteilte die Lüge daher als Sünde gegenüber dem Schöpfer. Eine Nummer kleiner, aber ebenso klar kann man es bei Immanuel Kant nachlesen. Er verbot die Lüge kategorisch, da sie jede soziale Ordnung zersetzen würde. Auf die Frage, ob man verpflichtet wäre einen Freund an seine Häscher zu verraten, würde er mit einem klaren „Ja!“ antworten. Im Volksmund hört man den Satz „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht mehr“. Das klingt schon eine Nummer kleiner, begrenzter in der Ablehnung, ist aber in seiner Wirkung für den Lügner doch prekär. Wem nicht mehr geglaubt wird, dem wird kein Vertrauen mehr entgegengebracht und wem nicht mehr vertraut wird, der ist so gut wie von allen sozialen Praktiken ausgeschlossen, da diese Vertrauen als Urgrund voraussetzen. Handel, Freundschaft, Liebe, alles ohne Vertrauen kaum vorstellbar. Dazu haftet das Attribut Lügner an der Person, die gelogen hat und beschädigt so seine Reputation oder wie der Soziologe Niklas Luhmann es ausdrücken würde, seine „soziale Adresse“. Ziehen wir ein erstes Resümee, so wird die Lüge also entweder aus theologischen, moralischen oder aber aus sozialen Gründen verdammt. Der Lügner verkompliziert uns die Welt und dafür mögen wir ihn nicht. Die sozialen Folgekosten seines Tuns werden ihm sozial in Rechnung gestellt. Dazu hat er aber auch selber mit den Folgen seines Tuns zu tun, wie in folgendem Ausspruch von Samuel Butler deutlich wird: „Der beste Lügner ist der, der mit der geringsten Anzahl der Lügen am längsten auskommt.“. Lügen schafft also Verpflichtungen auf Seiten des Lügners in Form von sozialen Folgekosten für ihn. Diese Tatsache ist es wohl auch, welche dazu führt, dass in der Geschichte immer wieder Lügner und Hochstapler aufgetaucht sind, welche diese Folgekosten so handwerklich geschickt gehandhabt haben, dass wir nicht umhin können und Ihnen unsere Bewunderung aussprechen müssen. Der Lügner als Künstler. Doch welche Kunst ist es die er beherrscht? Es ist die Kunst die Form der Wahrheit genauestens simulieren zu können, ohne dabei die Wahrheit zu vermitteln. Kunstvoll ausgeschmückte Geschichten, welche Glaubwürdigkeit vermitteln sollen, gefälschte Geldscheine, Siegel, Urkunden. Der Lügner kennt die Insignien der Wahrheit und er respektiert sie. Dem Lügner ist die Wahrheit also nicht egal, nur hätte er sie gerne anders und möchte die Welt in der Form der Wahrheit glauben lassen, dass sie anders sei. Er nutzt dazu typischerweise die Programme der Wahrheitsfindung, nur eben in anderer Richtung. Der Lügner kennt dabei die Wahrheit aber sehr gut, er muss sie kennen, damit sein Lügenkonstrukt möglichst gut in den Kontext der Wahrheit passt, welche verborgen werden soll. Der, welcher wahr redet und der, welcher lügt, sind sich in einem einig, dass der Unterschied zwischen Wahrheit und Unwahrheit wichtig ist. Dem einen ist nur die Wahrheit wichtiger und dem anderen ihr Gegenteil.

Wie unterscheidet sich dann aber der Bullshit von der Lüge? Diese Frage ist Gegenstand meines nächsten Blogs.